Faszination Schnitger Dom zu Lübeck
Bauherr Dom-Kirchengemeinde zu Lübeck
Wettbewerb 2012

Bis zur Zerstörung durch einen Bombenangriff im Frühling 1942 besaß der Dom zu Lübeck mit der 1696-1699 von Arp Schnitger erbauten Orgel eines der bedeutendsten Instrumente Nordeuropas. Die prachtvolle Orgel mit barockem Klangbild erfuhr 1893 eine musikalische Überarbeitung und damit die Transformation in ein Instrument der Romantik, als welches sie bis zu ihrer Zerstörung überdauerte. Als nach ersten Reparaturarbeiten der Nachkriegszeit der Dom zu Lübeck in den 1970er Jahren durch Grundmann und Sandtmann Architekten im Innenraum überarbeitet und auf die zeitgenössische Liturgie abgestimmt wurde, entstanden in der Folge erste Überlegungen zur Rekonstruktion der Schnitger-Orgel in ihrer historischen Position im Westchor. Im Diskurs der unterschiedlichen Interessen zwischen Musikern und Bauenden gelang es zum damaligen Zeitpunkt jedoch nicht ein Einvernehmen darüber herzustellen, ob die barocke Musikalität der Ursprungsorgel auch gestalterischer Taktgeber für ein neues Instrument sein sollte. Entschiedenes Ergebnis war es jedoch an der historischen Gliederung sowie dem Umfang des Prospekts festzuhalten. Im Westchor entstand eine Podestanlage als Podium vor der Kulisse des neuen, von Lothar Quinte gestalteten Fensters, welches das Vis-à-Vis des imposanten Kruzifix’ von Bernt Notke bildet.

Aufgabe des als ‚Faszination Schnitger’ ausgelobten Wettbewerbs war der Entwurf für ein modernes Instrument entlang den Leitlinien der historischen Barockorgel mit Bezug zum räumlichen Kontext des Westchors und dem markanten Fenster.

Die Idee, das Lineament der Pfeifen eines Orgelprospekts nicht im Corpus eines Gehäuses zu fassen, sondern durch ein Staccato von vertikalen Schotten zu ergänzen und zu gliedern, prägt den Entwurf der Partitur von Stölken Schmidt Architekten BDA. Registerstellung und Dimension der Pfeifen werden von der Arp Schnitger Orgel übernommen, während die Registergehäuse mit ihrer gestalterischen Prägung des Instruments aufgegeben wurden. In der Front des Prospekts überspielen nicht klingende Pfeifenverlängerungen, welche sich in anderer Oberfläche absetzen, die Kontur des hölzernen Gehäuses, betonen die vertikal gerichtete Gestaltungsstruktur eines Lineaments und verbildlichen eine emporsteigende Musikalität. Das Westfenster bleibt durch die einzelnen Lisenen hindurch sichtbar und ist auf Grund der hohen Positionierung der Orgel und ihrer schlanken, sich auf die Lage der Fensterpfeiler beziehenden Unterkonstruktion aus dem Kirchraum in Gänze wahrnehmbar. Die überhöhte Positionierung differenziert die neue Orgel zudem gegenüber der in den 1970er Jahren ergänzten Marcussen-Orgel, welche in der nördlichen Flanke des Hauptschiffs positioniert ist. Rück- und Untersicht des im Übergang zwischen Hauptschiff und Westchor eingestellten Instruments sind ebenfalls gestalterisch definiert und von architektonischer Bedeutung für die Ablesbarkeit der Raumdimensionen.